Entscheidung des OVG Berlin

14. Januar 2012

Das Oberverwaltungsgericht Berlin hat mit Beschluss vom 04.01.2012 – OVG 10 N 86.11 – den Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 30.05.2011 abgelehnt. Anlage

Die Vorsitzende Richterin ist seit dem 01.01.2012 Präsidentin des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg, bzw. führt nach der Pensionierung des bisherigen Präsidenten Ende 2011 dieses Amt kommissarisch bis der gemeinsame Richterwahlausschuss der Länder Berlin und Brandenburg den neuen Präsidenten bestimmt.

Das Oberverwaltungsgericht führt u. a. aus, mit der Rüge, es sei dem Staat untersagt, Vorwürfe gegen eine Bevölkerungsgruppe zu erheben, wenn sie nicht erweislich wahr seien, übergehe der Kläger die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil, dass Gewalt gegen Frauen nicht nur von Männern ausgehe, sondern auch in gleichgeschlechtlichen Beziehungen ausgeübt werde.

Damit übergeht das Oberverwaltungsgericht die Rüge des Klägers, das Gericht könne die fehlende Betroffenheit des Klägers in eigenen Rechten durch eine öffentliche Aussage der Beklagten nicht selbst im Wege einer Ausweitung des Kreises möglicherweise von dieser Aussage betroffener Personen auf Grund von Annahmen herstellen, die in dieser öffentlichen Aussage nicht zum Ausdruck kommen.

Das Verwaltungsgericht selbst hatte den Antrag auf Berichtigung des Tatbestands in diesem Punkt zurückgewiesen, weil der Kläger die Möglichkeit habe, diese Punkte ihm Rahmen seines Zulassungsantrags vorzubringen. Nunmehr teilt das OVG mit, der Kläger übergehe mit dieser Rüge die Ausführungen des Verwaltungsgerichts in seinem Urteil.

Der Hinweis auf den Beschluss des OVG Berlin-Brandenburg vom 31.08.2011 – OVG 3 S 112.11 -, wonach der Aussagegehalt einer öffentlichen Aussage über einen abgrenzbaren Teil der Bevölkerung nicht isoliert aus einzelnen Elementen der Darstellung, sondern aus dem Gesamtzusammenhang zu ermitteln sei – in dem vorliegenden Fall also die ausschließliche Darstellung der Gewalt von Männern gegen Frauen in dem Bildhintergrund der Plakate – sei unbehelflich.

Wie auch immer.

Das Amtsgericht Bremen hat mit Urteil vom 30.06.2011 – 10 C 121/12 – (NJW 2011, 3726) über die prozessrechtliche Bedeutung anonymer Bewertungen im Internet entschieden, die sich nach meinem Verständnis in dieser Hinsicht qualitativ nicht von anonymen Umfragen im Auftrag eines Bundesministeriums unterscheiden:

„Es liegt kein substanziierter Sachvortrag i. S. des § 139 ZPO zum Vorliegen von Reisemängeln vor, wenn dieser allein auf anonyme Bewertungen des betreffenden Hotels in einem Bewertungsportal im Internet gestützt wird. Der Bekl. stützt sich für seinen Vortrag zu den behaupteten Mängeln des von ihm gebuchten Hotels allein auf die Wiedergabe des Inhalts nicht durch vollständige Namensangabe gekennzeichneter Bewertungen in Internet-Bewertungsportalen und kann zur Identität der bewertenden Personen keine Angaben machen. Vor diesem Hintergrund ist der Vortrag des Bekl. zu diesen Mängeln als ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmen Sachverhalts erfolgt und somit als aufs Geratewohl oder ins Blaue hinein erfolgt anzusehen und damit unbeachtlich (zu diesen Kriterien s. BGH, NJW 1995, 2111 = WM  1995, 1561 m. w. N.).“

Tatsächlich ist prozessualer Schutz vor der öffentlichen Behauptung von häuslicher Gewalt gegen Frauen aufs Geratewohl aber kaum zu erwarten, wenn dieser auch im Bereich des Strafrechts nicht mehr bestehen soll.

Die Kommission der Europäischen Union verfolgt mit einem Vorschlag für eine Richtlinie über „Mindeststandards für die Rechte und den Schutz von Opfern von Straftaten“ das Ziel, in dem Strafverfahrensrecht der einzelnen Mitgliedstaaten bestimmten Personengruppen den Status besonderer Opfer einzuräumen und damit zugleich den rechtsstaatlichen Standard gegenüber den von diesen Personen Beschuldigten abzusenken (Rn. 18 f). Richtlinie