Freie Wahl

1. September 2013

Die Wahlbenachrichtigungen für die Wahl der Abgeordneten des Deutschen Bundestages sind in Berlin durch die PIN Mail AG in der Zeit vom 8. bis zum 24.08.2013 versandt worden. Die PIN Mail AG hatte mir seit über einem Jahr zuverlässig Behördenschreiben und Gerichtspost zugestellt. Nachdem mich bis zum 01.09.2013 die Wahlbenachrichtigung nicht erreichte, habe ich am 02.09.2013 bei dem zuständigen Bezirkswahlamt telefonisch nachgefragt, woraufhin mir mitgeteilt wurde, die an mich gerichtete Wahlbenachrichtigung sei von der PIN Mail AG als unter der angegebenen Adresse nicht auffindbar zurückgekommen. Es seien sehr viele Wahlbenachrichtigungen zurückgekommen. Ich erhielt die Benachrichtigung dann einige Tage später (erneut) zugesandt. Am 03.09.2013 habe ich nachgefragt, was eigentlich mit den Wahlbenachrichtigungen geschehe, die zurückgekommen sind. Daraufhin wurde mir erklärt, es seien tatsächlich (doch) nicht mehr Benachrichtigungen zurückgekommen, als sonst, und die Ursache würde wie üblich nach der Wahl über das Bürgeramt mittels Adressprüfung geklärt. Es handele sich nur um eine Benachrichtigung, keine Voraussetzung der Wahl.

Wie ich jetzt sehe, hat die Landeswahlleiterin für Berlin und Brandenburg am 03.09.2013 auf ihrer Homepage eine Mitteilung veröffentlicht, die lautet: „Keine Wahlbenachrichtigung erhalten – Was tun?“ Das wird aber auf zeitlicher Koinzidenz beruhen.

Es erinnert mich an die zwei Wahlen zum Deutschen Bundestag, die ich während meiner Zeit in Berlin-Kreuzberg erlebt habe. Bei dem ersten Mal im Jahr 2005 fand die Wahl im Berufsbildungszentrum an der Wrangelstraße, Ecke Schlesische Straße statt, einem großen Gebäude an einer großen Kreuzung, ebenerdig in dem großzügigen Foyer des weithin bekannten Gebäudes.

Bei dem zweiten Mal im Jahr 2009 erhielt ich die Wahlbenachrichtigung mit der Angabe eines neuen Wahllokals in der Cuvrystraße. Ich habe, obwohl es sich um die Straße des früheren Kindergartens meiner Kinder handelte, zehn Minuten gebraucht, das Wahllokal zu finden, was zum Teil auch daran lag, das es in keiner Weise meiner Erwartung an ein Wahllokal entsprach. Es handelte sich um eine offene Tordurchfahrt in einem unscheinbaren (abgeschlagener Stuck, braun ergrauter Rauhputz) Mietshaus aus Vorkriegszeiten, an dem die Hausnummer ungewöhnlich hoch und wenig hervorgehoben angebracht war. Ein Hinweis auf ein Wahllokal war nicht vorhanden. Trat man nun mit dem Gefühl ‚das würde mich jetzt schon überraschen‘ mangels Erfolg versprechender anderer Möglichkeiten durch die Toreinfahrt, zeigte sich nach einigen Metern, als der Blickwinkel sich öffnete, an der rechten Seite des Hofes eine längs dort angebaute Kita (ökologische Stadtsanierung Kreuzberg 70’iger Jahre), deren Eingang im rechten Winkel zum Hofgebäude angebracht und damit aus der Blickachse der Hofdurchfahrt gerückt war. An dieser gläsernen Tür prangte ein relativ großes Plakat, auf dem in roten Lettern – in etwa aus der Erinnerung – stand: „Vorsicht ansteckende Krankheit. Wir haben Fälle von SCHARLACH in dieser Kita“, was außer mir auch eine anwesende junge Frau zu der Frage verleitete, wie sich ein solches Plakat mit der Funktion eines Wahllokals verträgt. Wagte man sich trotzdem durch diese Tür, was jungen Eltern leichter gefallen sein mag, als zum Beispiel älteren Menschen, führte dies in einen engen länglichen Flur, an dem rechts entlang gegenläufig, also vom Ende des Flurs her zu betreten, eine steile Treppe hinauf führte, in einen engen, kleinen Raum. Dort saßen rechts entlang der Längswand auf normalen Stühlen drei Wahlhelfer nebeneinander. Diesem länglichen Tisch gegenüber befanden sich zwei oder drei Wahlkabinen folgender Art. Vor einem Kindertisch stand ein Kinderstuhl (Format Kindergarten wohlgemerkt) und auf dem Kindertisch, mit Blickrichtung zu den Wahlhelfern, eine dreiseitige, ungefährt 80 Zentimeter hohe Pappstellwand. Der Abstand zu den Wahlhelfern betrug ca. einen Meter. Ich fand mich also auf einen winzigen Stuhl gehockt einen Meter vor den über mir und wie ein Prüfungskomitee in der Breite trohnenden Wahlhelfern wieder, unter deren Blicken ich bemüht war, nicht durch ein Anstoßen mit meinen seitlich gespreizten Knien den Sichtschutz zu Boden zu stürzen. Das Gefühl der Baufsichtigung war so stark, dass ich mich umgesehen habe, ob hinter mir Spiegel angebracht sind, um mich als Ladendieb zu erwischen. Es blieb das Gefühl einer subtilen Wahlbeeinflussung.

Die Partei Die Grünen erhielt in diesem Wahllokal 69 % der gewerteten Stimmen.

Ich habe im Weiteren noch einen Schriftwechsel mit der Bezirksverwaltung geführt, und hätte dann Einsicht in die Unterlagen zur geänderten Aufteilung der Wahlkreise und der Auswahl des Wahllokals einfordern und durchsetzen müssen, die als Begründung angeführt wurden. Comunque.

Ich erinnere mich aber auch, wie sich nach einer Wahl zum Vorstand des berufständischen Versorgungswerks der Rechtsanwälte in Berlin im Jahr 2006 herausstellte, dass die Wahl durch zwei der dabei beteiligten Wahlhelfer manipuliert wurde, weshalb die Wahl offiziell annuliert und wiederholt worden ist. Immerhin eine Einrichtung der Rechtsanwälte in Berlin, die erhebliche Vermögenswerte mit dem Zweck der Altersversorgung ihrer Mitglieder verwaltet. Dieser Vorfall war Gegenstand einer Kleinen Anfrage im Abgeordnetenhaus von Berlin. Drucks. 15/13665

Die Möglichkeit einer Wahlbeeinflussung durch Wahlhelfer, zum Beispiel durch die Entscheidung über die Ungültigkeit von Stimmen, erschien mir damit nicht mehr so fernliegend. Wenn ich nun lese, mit welchem Selbstverständnis Menschen im Vorfeld der Bundestagswahl 2013 Wahlplakate beseitigen und Wahlveranstaltungen angreifen, frage ich mich, wie sich Menschen mit so einem Selbstverständnis als Wahlhelfer verhalten würden.

Auf Grund einer Mitteilung im Cicero bin ich auf einen Artikel Artikel von Christian Breuning (Universtität Toronto) und Achim Goerres (Universität Köln) gestossen: „Searching for electoral irregularities in an established democracy: Applying Benford’s Law tests to Bundestag elections in Unified Germany“ (Suche nach irregulären Wahlergebnissen in einer etablierten Demokratie: Anwendung der Tests nach Benfords Gesetz auf die Bundestagswahlen im vereinigten Germany).

Würde sich das Ergebnis verändern, wenn bei der Auszählung der Stimmen neutrale Wahlbeobachter anwesend wären?

Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier gleicher und geheimer Wahl gewählt (Art. 38 Abs. 1 GG). Das Nähere bestimmt nach Art. 38 Absatz 2 ein Bundesgesetz (Bundeswahlgesetz). Die Wahlhandlung ist öffentlich (Art. 31 BWahlG). Eine Regelung zur Öffentlichkeit der Ermittlung des Wahlergebnisses findet sich in dem Bundeswahlgesetz nicht. Das BVerfG hat jedoch in einem Beschluss vom 21.07.2009 (2 BvC 2/06) folgendes erklärt:

„Die Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnisses unterliegt auch dem Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl. Dieser verpflichtet den Gesetzgeber, das Wahlverfahren in einer Weise zu gestalten, die die öffentliche Kontrolle der Wahlen durch den Bürger erlaubt.“

Folglich hat bei der Ermittlung des Wahlergebnisses der Wahl zum Deutschen Bundestag jedermann zum Wahlraum Zutritt.

Das ist in § 54 der Bundeswahlordnung Bundeswahlordnung ausdrücklich bestimmt: „Während der Wahlhandlung sowie bei der Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnisses hat jedermann zum Wahlraum Zutritt, soweit das ohne Störung des Wahlgeschäfts möglich ist.“

Das ist in der Landeswahlordnung Berlin ausdrücklich bestimmt. Landeswahlordnung

Gemäß § 45 Abs. 1 der Landeswahlordnung Berlin, basierend auf dem Landeswahlgesetz Landeswahlgesetz Berlin, hat während der Wahlhandlung und der Ermittlung des Wahlergebnisses jedermann im Rahmen des zur Verfügung stehenden Platzes zum Wahlraum Zutritt, soweit das ohne Störung des Wahlgeschäftes möglich ist.

Die Ergebnisse in einzelnen Wahllokalen in Berlin kann jeder über die homepage der Landeswahlleitung einsehen, über diesen link beispielsweise für die Wahl des Jahres 2009.