Kampf für Demokratie

17. Dezember 2022

Am 16.12.2022 haben 43 rot-grüne Abgeordnete der Bürger des Landes Berlin bei dem Bundesverfassungsgericht eine Verfassungsbeschwerde gegen die Feststellung der Nichtigkeit der Wahlen zum Abgeordnetenhaus des Landes Berlin durch den Verfassungsgerichtshof Berlin erhoben, verbunden mit einem Eil-Antrag um die für den 12.02.2023 vorgesehene ordnungsgemäße Durchführung der Wahl zu verhindern. BZ

Ein demokratisch erworbenes Parlamentsmandat sei ein hohes Gut, das jemandem nicht einfach wieder genommen werden könne“ sagte laut diesem Artikel einer der Beschwerdeführer. 

Das Bundesverfassungsgericht hatte gemäß Pressemitteilung vom 18.01.2022 mit Beschluss vom 06.12.2021 (2 BvR 1470/20) eine Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, die sich gegen ein Urteil des Thüringer Verfassungsgerichtshofs richtete, in dem das thüringische Gesetz zur Einführung paritätischer Listen bei der Landtagswahl für nichtig erklärt wurde. Enthalten ist darin die Feststellung, über die Verfassungsmäßigkeit der Wahl in einem Bundesland (der Einführung eines Zwangs zur Wahl von weiblichen Menschen durch ein „Parité-Gesetz“ in einzelnen Bundesländern) hätten in „getrennten Verfassungsräumen“ abschließend die Landes-Verfassungsgerichte zu entscheiden, die dabei nur an Art. 28 GG, nicht aber an Art. 38 GG gebunden seien. „Mit Blick auf die Verfassungsautonomie der Länder beschränkt sich das Grundgesetz auf diese objektivrechtliche Kontrolle und räumt nicht auch jedem Bürger bei Wahlen im Land das Recht ein, die Beachtung der Wahlrechtsgrundsätze mit der Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht einzufordern. (….) Die Länder gewährleisten den subjektiven Schutz des Wahlrechts bei politischen Wahlen in ihrem Verfassungsraum demgemäß grundsätzlich allein und abschließend“ (Rn. 35). 

Nun geht es hier aber nicht um den Schutz der Ausübung der Staatsgewalt der Bürger in Wahlen (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG), sondern den Schutz eines gewählten Abgeordneten vor dem Entzug seines Mandates wegen angeblicher Fehler bei seiner Wahl. Die Beschwerde zielt auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, der zufolge einer solcher Fehler auf die Ausübung des Wahlrechts der Bürger nur wirke. falls er nachweislich „mandatsrelevant“ sei (2 BvC 17/18 zu einem Wahlprüfungsverfahren, Rn. 43 f). In der Entscheidung des Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin heißt es hingegen in Seite 62 und folgende: „Eines Nachweises der Auswirkungen auf die Sitzverteilung bedarf es nicht, vielmehr genügt eine potentielle Kausalität„.

Bemerkenswert ist die prozessuale Situation, welche mit der Verfassungsbeschwerde entsteht, die sich gegen die wahlberechtigten Bürger des Landes Berlin richtet, die dabei aber durch die Abgeordneten vertreten werden, die fehlerhaft gewählt worden sind und nun die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs des Landes Berlin gegen die (Bundes-) Verfassungsbeschwerde aus ihren Reihen verteidigen sollen. Damit stehen die Repräsentanten der Bürger des Landes Berlin in diesem Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht nicht nur in einem Interessenkonflikt, sondern sind möglicher Weise nicht zur Vertretung legitimiert. Was bedeuten würde, das Verfahren kann logisch erst nach der verfassungstreuen Durchführung der Wahl gegenüber den dann legitimierten Vertretern der Bürger durchgeführt werden (oder den zuletzt vorher verfassungsgemäß gewählten Abgeordneten), was den Erlass einer vorläufigen Regelung durch das Bundesverfassungsgericht ausschliessen würde.