Klaps auf die Hand
Die EU hat eine neue Richtlinie angeordnet, mit der in die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten nun die Möglichkeit der Abweisung einer Klage als ‚offensichtlich unbegründet oder missbräuchlich‘ gepresst wird, was die EU zum Zweck der Desinformation mit einem englischen Begriff bezeichnet, als Einführung prozessualer Mindeststandards darstellt und zunächst auf Klagen gegen Personen beschränkt hat, die „sich öffentlich beteiligen“ (womit die Teilnehmer der durch die Regierung gebildeten ‚Zivilgesellschaft‘ gemeint sind). Text (ab Seite 28). Die Richtlinie tritt 20 Tage nach ihrer anstehenden Veröffentlichung im Amtsblatt der EU in Kraft.
Angelegenheiten des öffentlichen Interesses sind gemäß Artikel 4 Abs. 2 let. b der Richtlinie unter anderem „Tätigkeiten zum Schutz der in Artikel 2 des Vertrags über die Europäische Union verankerten Werte, einschließlich des Schutzes demokratischer Prozesse vor ungebührlicher Einflussnahme, insbesondere durch die Bekämpfung von Desinformation„.
Wollte eine Person sich dann gegen die Verfolgung durch eine der nichtstaatlichen Regierungsorganisationen gerichtlich wehren, die mittels des anstehenden Gesetzes zur ‚Demokratieförderung‘ der Abgeordneten der Regierung Scholz mit Hilfe der FDP weiter finanziert werden sollen, wird diese Klage auf deren Antrag als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen, weil sie wegen derer öffentlichen Beteiligung erhoben ist.
Eine Zurückweisung als offensichtlich unbegründet sieht die deutsche Zivilprozessordnung bislang nur in § 522 Abs. 2 ZPO vor, dem zufolge eine Berufung als offensichtlich unbegründet zurück gewiesen werden kann. Das diente scheinbar als Vorbild. Wie alle Reformen des Prozessrechts der letzten dreissig Jahre in Deutschland wurde die Einfügung des § 522 Abs. 2 ZPO im Jahr 2001 mit dem Zweck einer Verbesserung des Justizsystems begründet und diente allein der Kostenersparnis durch Verringerung der Justizgewährung, also nicht mehr Geld für die essentielle Aufgabe der Bereitstellung eines funktionalen Justizsystems auszugeben, sondern die Besteuerung für andere Zwecke verwenden zu können. Das hat zu einer vollkommen willkürlichen Behandlung in den Berufungsverfahren geführt.
Das Diverse daran ist, Personen, deren öffentliche Äußerungen durch digitale Dienste mittels der Richtlinie über digitale Dienste der EU nach dem Vorbild des deutschen Netzwerk-Durchsetzungsgesetz gelöscht werden, können diesen Rechtsschutz (Anspruch auf beschleunigte Zurückweisung als offensichtlich unbegründet mit Kostenerstattung) nicht in Anspruch nehmen, obwohl sie sich öffentlich beteiligen, weil es sich nicht um gerichtliche Verfahren handelt, da sie in die prozessuale Stellung gezwungen sind, eine Klage erheben zu müssen, um sich gegen den rechtlichen Angriff zu verteidigen (so wie nun nicht mehr eine Regierungspartei vor dem Verfassungsgericht ein Verfahren gegen eine oppositionelle Partei auf Feststellung ihrer Verfassungswidrigkeit führen muss, sondern eine oppositionelle Partei durch alle Instanzen bis zum Verfassungsgericht gegen die Nutzung staatlicher Mittel zu ihrer administrativen Bekämpfung). Wozu die Abgeordneten der Regierung Scholz mit Hilfe der FDP gerade das Gesetz zur Ausführung der Richtlinie der EU über die digitalen Dienste beschlossen haben.
Die Bezeichnung Slapp ist angeblich aus dem Akronym von ’strategic lawsuit against public participation‘ gebildet worden. Ausgesprochen klingt die Bezeichnung wie slap (Ohrfeige, Schlag) z. B. in dem Ausdruck ‚a slap on the wrist‘ (ein Klaps auf die Hand).
Am 06.05.2024 beschreibt der Rechtsanwalt Johannes Eisenberg, ein Befürworter der Richtlinie, in der Tageszeitung taz den Zweck des Gesetzes. Immer wieder hätten Personen, über welche die taz berichtet habe, einstweilige Verfügungen gegen die Zeitung erwirkt, was Herr Eisenberg in Anführungszeichen als „Klagen“ diskriminiert, deren Opfer die taz durch die (so wörtlich) rechtsleugnende Haltung der Gerichte geworden sei. So habe eine Person vor einem staatlichen Gericht eine Unterlassungsklage gegen die taz erwirkt, nachdem die taz ihn öffentlich wegen ‚multipler sexueller Übergriffe‘ verurteilt hatte, obwohl die taz ihn doch vor der Veröffentlichung ‚angehört‘ habe. Und obwohl die taz nach eigenem Urteil unvoreingenommen und ausgewogen berichtet, erlässt ein staatliches Gericht eine Unterlassungsverfügung, als die taz auch über den Verdächtigung einer anderen Person wegen Vergewaltigung berichtet (wobei jeweils anderweitige Eigenschaften dieser Person die Begründetheit des Verdachts belegen sollen). taz
Die Slapp-Richtlinie ist am 16.04.2024 in dem Amtsblatt der europäischen Vertragsunion veröffentlicht worden und in der Folge am 06.05.2024 in Kraft getreten. Sie muss gemäß ihrem Art. 22 Nr. 1 von den Mitgliedstaaten bis zum 07.05.2026 umgesetzt werden. Der Anwendungsbereich der Richtlinie erstrecke sich nur auf auf Zivil- und Handelssachen mit grenzüberschreitendem Bezug in Zivilverfahren. Aber: „Ergänzend zur Richtlinie fordert die Europäische Kommission die Mitgliedsstaaten in ihrer Empfehlung dazu auf, die Richtlinie auch mit Blick auf innerstaatliche Sachverhalte und sämtliche Verfahrensarten umzusetzen und Schulungs- und Sensibilisierungsmaßnahmen zu SLAPPs zu ergreifen„. Datev-Magazin